Einzelmotor vs. Multimotor Antrieb

Warum wird im EMPA-Trac ein Motor pro Rad verbaut, während klassische Allradtopologien von Fahrzeugen mit nur einem auskommen (müssen)?  Komplexität und die ursprünglich hohen Kosten eines Verbrennungskraftmotors sind nur ein Grund warum Allradfahrzeuge jeglicher Art seit jeher nur einen Motor haben und dessen Leistung dann auf komplizierte Art und Weise auf Achsen und Räder aufgeteilt wird. Der zweite Grund ist wohl, dass die exakte Regelung eines Verbrennungsmotors auf ein Drehmoment wesentlich schwieriger ist als die Regelung auf eine Drehzahl. Der Fahrer eines Fahrzeuges gibt über das Gaspedal aber einen Drehmomentwunsch vor, nicht eine Geschwindigkeit. Elektrische Antriebe sind günstiger je Einheit kompakt und in sich abgeschlossen sowie leicht skalierbar, so dass es Sinn hat mehrere davon in ein Fahrzeug zu verbauen, wie es diverse Elektrofahrzeuge mit Allradantrieb neuerdings demonstrieren (z.B. Tesla Dual Motor, Jaguar I-Pace, Audi e-tron).

Die Elimination diverser Kardanwellen und Verteilergetriebe konsequent zu Ende gedacht ergibt den Einzelradantrieb, die favorisierte Lösung für den EMPA-Trac. Die hohe Qualität der Regelung zeitgemäßer elektrischer Traktionsantriebe und die Einbindung entsprechender Sensorik wie Lenkwinkelsensoren erlaubt es auch auf mechanische Differentiale zwischen den Rädern einer Achse zu verzichten ohne Probleme mit unterschiedlichen Lenkrollradien zu bekommen. 

Der Einzelradantrieb gibt absolute Freiheit in der Ansteuerung der Räder. Der EMPA-Trac hat somit einen permanenten Allradantrieb. Mechanische Komponenten wie Differentialsperren für hohe Geländegängigkeit entfallen. Da es sich in erster Linie um ein Kommunalfahrzeug handelt ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass im Gelände konstante Raddrehzahlen vorgegeben werden können -was 100%er Differentialsperre entspricht- dabei aber dennoch die Lenkrollradien berücksichtigt werden können. Die jeweiligen Raddrehzahlen werden vom übergeordneten Steuergerät entsprechend des erfassten Lenkradius variabel und in Millisekunden vorgegeben. Rangieren im Gelände oder das Fahren enger Radien kann so bei maximaler Bodenschonung erfolgen, wie dies mit mechanischen Sperren nicht möglich ist. Grünlandpflege oder Parkraumbewirtschaftung kann so bei maximaler Bodenschonung erfolgen. Die Grasnarbe bleibt intakt, ein ökologischer aber auch optischer Vorteil.

Im Straßenbetrieb bietet der Allradantrieb durch die verbesserte Traktion ein Sicherheitsplus. Torque-Vectoring ist ebenfalls ohne zusätzliche Hardware möglich und kann rein softwaretechnisch gelöst werden, sollte sich der Bedarf dafür ergeben. Die Ansprüche an die Fahrdynamik im Nutzfahrzeugsegment sprechen jedoch nicht dafür.

Der Nachteil des Einzelradantriebs ist die mehrfache Ausführung der Antriebs-Hardware, wobei diese jedoch auch Redundanz bringt. Dem einzelnen Rad steht nur das Moment des jeweiligen Elektromotors zu Verfügung, welcher in der Regel schwächer ist im Vergleich zu einem Motor pro Achse mit Differentialsperre. Diesem Nachteil ist mit drehmomentstarken Antrieben und einsatzgerechter Auslegung zu begegnen.    

Bei der Suche nach passenden elektrischen Maschinen für die Einzelradantriebe legten wir den Focus von Beginn an auf permanent erregte Synchronmaschinen. Die Drehmomentdichte und Leistungsdichte kann von Asynchronmaschinen hinsichtlich Bauraum und Nutzlast nicht erbracht werden. Je höher das Drehmoment des Motors ist, desto geringer kann die Untersetzung zum Rad ausfallen. Da der Zentralrahmen wegen Halbachsen und Federwegen nur eine bestimmte Breite haben kann, sollten die Antriebe grundsätzlich eher kurz bauen. Hohes Drehmoment bei kurzer Bauweise bedeutet, dass elektrische Maschinen in Axialflussbauweise, sogenannte Scheibenläufer oder „Pancake“ Motoren am besten geeignet sind. Im Zuge der Recherche hat sich jedoch herausgestellt, dass es auch Radialflussmaschinen gibt, die kurz genug sind um in das Chassis zu passen. Die Motoren können versetzt zueinander eingebaut werden. Über das interne Untersetzungsgetriebe an jedem Motor kann der Versatz wieder kompensiert werden.  Diverse Motor-Inverter Paarungen wurden in einer Matrix gegenübergestellt. Anfänglich als Außenseiter in diesem „Match“ war auch ein Radnabenmotor. Dieser baut einsatzbedingt auch sehr kurz in axialer Richtung (ohne integrierten Inverter), hat dafür jedoch einen großen Durchmesser. Er kann ein so hohes Drehmoment erzeugen, dass wir das innere Untersetzungsgetriebe weglassen können. Das höhere Gewicht des Motors wird durch den Entfall des Getriebes je nach Vergleichsfall kompensiert oder überkompensiert. Jedenfalls wird der Antrieb um eine verschleißbehaftete Komponente reduziert, wodurch sich im Vergleich zu den anderen betrachteten Systemen kostenseitig die günstigste Variante ergibt. Der gesamte Entwicklungsprozess des Prototyps wird einfacher und schneller durch diese Entscheidung. Zusätzlich führt dies auch im After-Sales Bereich zu geringeren Betriebskosten.

Auch die mechanische Zapfwelle des EMPA-Trac, die durch ein front- und/oder heckseitiges Modul dargestellt wird, wird mittels eines solchen Motors angetrieben. Der sogenannte e-PTO (Electric Power Take Off) kann über den Radnabenmotor ebenfalls direkt angetrieben werden, da Drehzahl und Drehmoment genau passen. Im Projekt wird der Prototyp mit einem e-PTO ausgestattet. Weiters gibt es noch eine Pump-Unit (PU) für die Versorgung des hydraulischen Systems mit Öldruck und eventuell für die Erzeugung von Druckluft. Hier wird ein kleinerer Motor in Radialbauweise eingesetzt.

Je nach Fahrzeugvariante wird der EMPA-Trac über 4 (4×4) oder 6 (6×6) unabhängige Einzelradantriebe verfügen die aus einem zentral verbauten Radnabenmotor (!!) mit separatem Inverter sowie einem radseitig verbauten einstufigen Untersetzungsgetriebe bestehen. Zusätzlich hat jedes Fahrzeug eine elektrisch betriebene Pump-Unit und je nach Bedarf ein oder zwei modular aufgebaute Zapfwelleneinheiten (e-PTO) die ebenfalls durch den baugleichen Radnabenmotor angetrieben sind. Gesteuert wird der Antrieb und alle anderen Funktionen und Komponenten durch ein übergeordnetes Steuergerät.